Warum schreiben wir einige Wörter mit Dehnungs-h und andere nicht?
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ich finde das Dehnungs-h ziemlich blöd und überflüssig. Wir kennzeichnen doch den kurz gesprochenen Vokal.
Danach stehen immer mehrere Konsonanten. Es ist also ziemlich überflüssig, den lang gesprochenen Vokal extra zu kennzeichnen.
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Nein, nein, ganz und gar nicht. Früher wollte man die Wörter einfach größer machen, wenn der Vokal lang
gesprochen wird. Ich finde das richtig und außerdem ganz schön.
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Was für ein Blödsinn! Und warum hat man dann ausgerechnet ein h hinter den lang gesprochenen Vokal gesetzt?
Frau Laut, sagen Sie doch auch mal was.
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Ich glaube, dass uns hier erst einmal Herr Alt weiterhelfen kann. Schließlich gibt es das Dehnungs-h schon
ziemlich lange, nicht wahr Herr Alt?
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Herr Alt schien heute keine richtige Lust zu einer langen Diskussion zu haben. Er murmelte nur:
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Vor tausend Jahren vielleicht. Oder doch nur vor achthundert? Oder erst vor knapp 500 Jahren. Die einen sagen
so und die anderen so.
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Halo!!! Geht es vielleicht etwas genauer?
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Es war ganz offensichtlich: Das Dehnungs-h war nicht das Lieblingsthema von Herrn Alt. Im Gegenteil: Es
schien ihn zu ärgern, dass es hier keine klaren Forschungsergebnisse gab. Aber dann ließ es sich doch darauf ein, seine Version von der Entstehung des Dehnungs-h zu erzählen:
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In Deutschland hat man früher nicht überall gleich gesprochen und geschrieben. Einerseits gab es viele
regionale Dialekte. Andererseits gab es noch keinen einheitlichen Staat, sondern viele kleine Fürstentümer. Nachdem der Buchdruck erfunden war (Johannes Gutenberg, Mitte des 15. Jahrhunderts) entstanden überall im
deutschsprachigen Raum Druckereien. Und in diesen Druckereien schrieben – oder besser druckten – die Buchdrucker so, wie in der Region gesprochen wurde. Und jeder Drucker hatte eigene Regeln und eigene
Ticks. Das kann man besonders an der Kennzeichnung der lang gesprochenen Vokale sehen.
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Hier ein paar Beispiele
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Den Zuammenhand
zwischen dem Dehnungs-h und den Druckern hat Thomas Weger aufgedeckt.
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Einige Drucker kennzeichneten den lang gesprochenen Vokal gar nicht. Das war schon damals recht klug und hat
sich bei den meisten Wörtern bis heute durchgesetzt.
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Andere Drucker verdoppelten bei einsilbigen Wörtern den Vokal. Das kam vor allem im niederdeutschen
Sprachraum vor. Einige Wörter schreiben wir auch heute noch so, z. B. Aal, Beet, Boot, Meer, Moos, See, Staat usw.
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Hier findest du eine Liste mit Wörtern, die mit Doppelvokal geschrieben werden.
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Und dann gab es noch Drucker, deren Tick sich nur in Ortsnamen erhalten hat. So setzten einige Drucker hinter
den lang gesprochenen Vokal ein e (im Münsterland, z. B. in Coesfeld, Hoetmar …) oder ein i (im Rheinland, z. B. in Troisdorf, Duisburg …) oder ein c (in Norddeutschland, z. B. Mecklenburg, Barmbeck
…).
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Herr Aaaalt! Geht es nicht auch etwas kürzer?
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Ja was denn nun? Mal wollen Sie es genauer und mal kürzer!
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Also gut: Jeder Drucker hatte eben seinen eigenen Tick. Und die Drucker in Sachsen und Thüringen hatten den
Tick mit dem Dehnungs-h.
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Nun mischte sich Herr Wort ein: Und warum hat sich der Tick der Drucker in Thüringen bis heute halten können?
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Nun es waren nicht die (!) Drucker. Den ganzen Schlamassel haben wir nur einem einzigen Drucker zu verdanken:
Dem Drucker Hans Lufft aus Wittenberg.
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hmmmmm !!! ??? !!!
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Wittenberg? Ist das nicht die Stadt in Thüringen, wo Martin Luther lebte?
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Ja genau. Und damit fängt das Problem an!
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Die von Hans Lufft gedruckte Lutherbibel verbreitete sich rasend schnell. Lufft soll im Laufe der Zeit über
100.00 Exemplare gedruckt haben. Einen Riesengeschäft, das Hans Lufft reich und berühmt machte.
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Und jetzt kommt’s:
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Mit der großen Verbreitung der Bibel veränderte sich die Sprache in Deutschland. Genauer: die Schriftsprache.
Denn alle Drucker wollten ein Stück von dem großen Erfolgskuchen der Lutherbibel abbekommen. So fingen sie an, ihre Bücher in der gleichen Schriftsprache zu drucken wie Hans Lufft. Und so verbreiteten sich die
Druck-Ticks dieses Druckers im ganzen deutschsprachigen Raum.
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Später fingen die gebildeten Leute an, so zu sprechen, wie die Texte gedruckt wurden. Und hieraus ist dann
die Hochdeutsche Sprache entstanden.
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Nun waren meine Prinzipienwächter ganz schön erstaunt. Ist das nicht eine tolle Geschichte? Wir sprechen also
heute so, wie man zur Zeit von Martin Luther in Thüringen gesprochen hat. Ohne den Buchdruck, ohne die Bibelübersetzung von Martin Luther und ohne Hans Lufft würden wir in Deutschland vielleicht noch immer in
hundert verschiedenen regionalen Dialekten sprechen.
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Lieber Herr Alt, eine Frage habe ich noch: Wieso sagten Sie, dass das Dehnungs-h auch schon vor tausend oder
achthundert Jahren entstanden sein könnte. Die Lutherbibel wurde doch erst vor knapp 500 Jahren zum ersten Mal gedruckt.
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Nun, wir wissen nicht, wie die Leute vor tausend Jahren gesprochen haben. Allerdings gibt es seit dem 8. Jahrhundert schriftliche Aufzeichnungen in deutscher Sprache. Wir nennen dies auch
die althochdeutsche Sprache (ca. 750 bis 1050). Und in diesen Aufzeichnungen wurden einige Wörter mit h im Wortinneren geschrieben. Hier sollte das h zwei getrennt gesprochene Vokale voneinander trennen. Dieses Silben trennende h kennen wir auch heute noch in Wörtern wie gehen,
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heute
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althochdeutsch
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mittelhochdeutsch
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fliehen
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fliohan
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vliehen
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sehen
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sehan
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sehen
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ziehen
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ziohan
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ziehen
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Bei einigen Wörtern hat sich später die Aussprache geändert und der zweite Vokal ist weggefallen. In der Schreibung aber ist das Silben trennende h erhalten geblieben. Dieses h wurde dann (noch später) als Dehnungs-h bezeichnet.
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Auch hierzu ein paar Beispiele:
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heute
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althochdeutsch
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mittelhochdeutsch
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Ähre
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ehir
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eher
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Gemahl
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gimahalo
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gemahel(e)
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Mohn
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māho, mago
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mān, māhen
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Stahl
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stahal
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stāl, stahel
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zehn
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zehan
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zehen
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Zwehle
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twahilla, dwahilla
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twehel(e), zwehel
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Schau dir einmal in der Beispieltabelle an, welche Konsonanten auf den lang gesprochenen Vokal folgen. Da das Silben trennende h steht häufig zwischen dem Wortstamm und einer Endung (-el, -en, -er). Lassen wir den Vokal in diesen Endungen weg, dann ist es nicht verwunderlich, dass das Dehnungs-h später nur vor l, m, n oder r anzutreffen ist..
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Vermutlich hat Hans Lufft – und später auch andere Drucker - diese h-Schreibung nach lang gesprochenem Vokal
verallgemeinert und auf andere Wörter übertragen. Aber so ganz genau weiß man das nicht.
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Und daraus ist dann unsere heutige Regel abgeleitet worden:
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Das Dehnungs-h steht nur vor den Konsonanten l, m, n und r.
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Und nun, lieber Herr Wort, können Sie uns doch sicher verraten, wie viele Wörter es mit dem Dehnungs-h gibt.
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Welche Wörter Herr Wort herausgefunden hat, das könnt Ihr auf der folgenden Seite
nachlesen.
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